Medienwissenschaft in Theorie und Praxis

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Homers Medien

Téchnē und poíēsis in der Odyssee

Band 3, München 2007, 119 Seiten
ISBN 978-3-86736-008-1
14,80 EUR
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Produktbeschreibung

Für die Herausbildung des modernen Hellas und der abendländischen Kultur spielt die Erfindung der griechischen Lautschrift und in deren Folge die Etablierung eines medialen Denkens im Namen von téchnē und poíēsis eine herausragende, wenn nicht sogar maßgebliche Rolle. Dieser kulturell so tiefgreifende Umbruch, in dessen Folge sich das abendländisch-metaphysische Denken herausbildet, wird in der um 700 v. Chr. entstandenen epischen Dichtung Odyssee des Dichtersängers Homer erstmals thematisiert und umfassend dargestellt. Im Göttervater Zeus ist diese neue, weil medienfundierte Ordnung der Dinge vergottet; in Odysseus wird jener neue Mensch vorgestellt, der durch die Vermittlung von Göttern dieses mediale Denken als List (téchnē) auf seinem Heimweg nach Ithaka anzuwenden weiß.

Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass die Dichtkunst des Dichtersängers selbst als die höchste Form der Kopplung von technē und poíēsis im Menschen begriffen und vorgestellt wird. In seinem Selbstverständnis begreift sich der Dichtersänger als Medien zwischen Götter- und Menschenwelt, der der Kultur menschlichen Zusammenlebens im Namen des Zeus und seiner göttlich-medialen Ordnung dient und in dessen Diensten steht.

Das Epos erfüllt deshalb eine Doppelfunktion: Es macht im weitesten Sinne Propaganda für die kulturelle Neuerung eines medienbasierten Denkens, indem es dieses in der Listigkeit, mit welcher Odysseus seine Abenteuer zu bestehen weiß, vorstellt; gleichzeitig aber bietet es die Plattform, auf welcher diese Veränderung einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Der Dichtersänger wird so zum Kulturagenten, der durch seine weitläufige Wandertätigkeit kulturelle Entwicklungen überall bekannt macht. Aber zugleich nimmt er auch die Funktion eines kulturellen Gewissens wahr, das angesichts der bestehenden Traditionen Neuerungen kritisch prüft. Dass der Dichtersänger dabei aus seiner Haltung keinen Hehl macht, vielmehr seine Einsichten in seinen Gesängen in altbekannten Mythen verkleidet zur Diskussion stellt, verweist auf die herausragende Stellung und letztlich auch kulturpolitische Bedeutung der Dichtersänger für das kulturelle Gedächtnis des frühgriechischen Hellas.
 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Der grollende Zeus
Athenes Wutrede – Zeus und die Medien – Die Agenten des Zeus auf Erden

Listiges Verführen – Penelopes Webelist
Verführen – Verführungsrede und Verführungsgesang – Die Semiotechnologie der Webelist

Der Gesang der Sirenen – Homers Schriftkritik
Homer und Schrift – Der Gesang der Sirenen – Der Rat der Kirke – Medium und Methode – Verlauten – Verbuchstaben

Aufschub und Nachtrag der zweiten Hochzeitsnacht
Hochzeitsvorbereitungen auf Ithaka – Die Struktur der mētis

Wunde, Speer und Narben –
Körperzeichen und natürliche Gewebe

Narbe – Wunde

Im Garten des Dichtersängers
Mündlichkeit und Schriftlichkeit – Das Selbstverständnis des Dichtersängers – Der Dichtersänger Homer als Kulturagent und Kulturkritiker

Literaturverzeichnis