Zeitschrift merz | Einzelhefte

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Produktbeschreibung

Wem ist nicht schon einmal passiert, dass er seine niedergeschriebenen Beurteilungen einer Situation, eines Gegenstandes, eines Ablaufs nach späterem nochmaligen Lesen nicht mehr nachvollziehen konnte. Die spezifische Situation des Schreibaktes war nicht mehr die des Wiederlesens, weil schon allein die eigene Gestimmtheit anders gelagert war und dadurch die Wahrnehmung in eine ganz andere Richtung zielte.
Das mag eine Hilfestellung für die Erkenntnis eines Bewusstseinsaktes sein, der wie gesagt gemeinhin zwar nicht unbekannt ist, aber dessen theoretische Reflexion dann doch immer wieder behindert wird, weil Menschen sich trotz aller gegenteiliger Erlebnisse der eigenen Wahrnehmung so sicher scheinen, dass das Nachdenken darüber eher zur Herausforderung wird. Wir wollen uns ja als autonome Wesen verstehen, deren Entscheidungen und Einsichten Gültigkeit beanspruchen.
Die alltäglich ablaufende Zeit möchten wir im Griff haben, um unsere Wahrnehmung sakrosankt zu machen. Nur dürfte sich dadurch ein Hindernis aufbauen, zu interpretieren, was von anderen vorgegeben wird. Stattgefundene Modifizierungen dessen werden uns verschlossen bleiben, Veränderungen stoßen so auf Desinteresse. Und dann kommt es zur Zitierwut unumstößlicher Weisheiten - und dieser Manie scheint niemand zu entkommen, weder in der wissenschaftlichen Arbeit, noch im Gespräch des Alltags.
Dass die Medien ganz gehörig ins Geschehen involviert sind, kann uns im Jahr 2000 nicht mehr erstaunen. Da haben wir in den letzten Jahrzehnten doch dazugelernt. Und deren Vermittlung von Fiktion und Information darf keinen höheren Stellenwert an „Wahrheit“ einnehmen als die sonstige Kommunikation. Hinter Medien stehen immer ganz konkrete Menschen, deren Wahrnehmungsprobleme mit unseren identisch sind - auch wenn autoritäres Gehabe der professionellen Vermittler sich mit wenig Selbstreflexion verbunden zeigt.
Der Kunstgeschichtler Jonathan Crary beginnt sein Buch „Techniken des Betrachters“ (Dresden 1996) mit einer schlagenden Feststellung: „Dieses Buch handelt vom Sehen und seiner historischen Konstruktion“. Und der geniale Kompilator Klaus Theweleit zielt in seiner neuen auf vier Bände angelegten Sammelarbeit „Pocahontas“ (Frankfurt/M 1999) auf die Tradierung von Mythen, die mit ihren Modellgeschichten variieren, erzählt im jeweils neuesten Medium. Theweleit benennt „Pocahontas“ als einen Gründungsmythos der Vereinigten Staaten, der seine neueste Form in Disneys Zeichentrickfilm gefunden hat.
Wer solche Ketten mit „Wahrnehmung“ und „Zeit“ und „Geschichte“ zu knüpfen oder zu rezipieren weiß, dem wird sich ein umfassender Blick auf Menschen und ihre Geschichte(n) öffnen. De-Konstruktion - die wahre Form der Wahrnehmung?

Erwin Schaar
 

Inhaltsverzeichnis

thema >>
> Christine Schöpf: Medienkunst formuliert die Fragen einer Gesellschaft im Wandel
> Ein Gespräch mit Julian Nida-Rümelin
> Georg Seeßlen: No Future in Digital Reality
> Jürgen Stollberg: Wie tickt die Jugend 2000?
> Knut Föckler: Medienkompetenz und Telelearning: Erfolgsfaktoren in der Wissensgesellschaft
> Margot Berghaus: Steinzeitmenschen Online. Stabilität und Wandel beim Aufwachsen in neuen Medienwelten
> Susanne Gölitzer: Die Bedeutung der Schule zwischen Handy und Ferienjob

spektrum >>
> Andreas Lange / Kurt Lüscher: Kinder und ihre Medienökologie in „postmodernen“ Zeiten
> Janine Leyendecker: Fernsehen zur Stimmungsregulation?
> Renate Luca: Fachwissen allein genügt nicht!

medienreport >>
> Kurt Oesterle: Körperlose Partisanen
> Margret Köhler : Das Ende des amerikanischen Traums
> Michael Bloech: Es muß nicht immer Disney sein!
> Tilmann P. Gangloff: Jenseits von Disney
> Tilmann P. Gangloff: Täglich grüßt der Mäusekopf

publikationen >>
> David Siegel: Web Site Design & Das Geheimnis erfolgreicher Web Sites
> Hans-Jürgen Palme: Computern im Kindergarten
> Multimediakompetenz für den Nachwuchs - und für Eltern

kolumne >>
> Claudia Schmiderer: Happy New Year!