Zeitschrift merz | Einzelhefte

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Produktbeschreibung

In Zusammenfügung mit einem anderen Adjektiv lässt meist die neue Art der Sprechweise über Elitäres erkennen. Da ist Herr X nicht mehr nur qualifiziert, sondern hochqualifiziert, die Eiskunstläuferin Y nicht mehr nur motiviert, sondern hochmotiviert, und der Redakteur Z nicht mehr nur gebildet, sondern hochgebildet. Früher hat man, um die Überlegenheit der eigenen Kultur gegenüber der von Naturvölkern (was immer das nun wieder ist) herauszustellen, von Hochkultur gesprochen. Nachdem im Zeitalter der multikulturellen Bewegungen Kultur gleich Kultur geworden ist, der Comic, erstanden am Kiosk, genauso betrachtenswert und wertvoll erscheint wie das Renaissancegemälde in der Pinakothek, stehen die Gebildeten nicht mehr vor Erzeugnissen/Ereignissen der Hochkultur, sondern die Hochgebildeten vor solchen der Kultur.
Womit kann ich mir dieses Epitheton „hoch“ verdienen, um nicht nur als Proletarier der Gebildeten, Qualifizierten, Motivierten bewertet zu werden. Wann werde ich den Adelstitel der modernen Arbeitswelt bei meiner Beurteilung erhalten? Sicher erst wenn ich ihn hochverdient habe.
Die Vergabejurys dieser überqualifizierenden Auszeichnung „hoch“ (Beamte waren oder sind bei Beförderung „überqualifiziert“, auch hier genügt nicht das Können an sich) müssen doch eigentlich auch einen Nachweis für sich haben, der sie zur Einstufung anderer Individuen in diese „hoch“-Kategorie berechtigt? Ober werden hier sogar Überlegenheiten zur eigenen Person anerkannt? Bei den Griechen waren da sicher die Götter tätig, im Christentum oder Islam ist mir solches nicht bekannt. Der Philologe Bruno Snell konstatiert da: „So läßt sich z.B. an Homers Sprache zeigen, daß die Superlativ-Bildung bei solchen Adjektiven ansetzt, die schon im Positiv einen Wert bezeichnen“ (Der Aufbau der Sprache, Hamburg 1952, S. 108).
Heißt dieser Vorgang des „Hoch“bewertens nun, dass an sich positive Begriffe ohne Steigerung nur mehr zur Umschreibung von Unzulänglichem angewandt werden? Wie das vor nicht allzu langer Zeit mit Begriffen exerziert wurde, die in Arbeitszeugnissen auftauchten und denen man auf den ersten Blick in ihrer positiven Formulierung nicht ansah, dass sie eine abfällige Diskriminierung von Abhängigen enthielten?
Merke für jede Situation und Beurteilung, auch als Auftrag an die Erziehung, die ja auch wieder die Eliten entdeckt hat: „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht“. Stammt von Sartre, dem jetzt in Frankreich nach Jahren des Vergessens wieder viel (geistige) Ehre zuerkannt wird.
Erwin Schaar
 

Inhaltsverzeichnis

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> Günther Anfang: Europäische Jugendprojekte im Internet
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> Johannes Fromme, Norbert Meder, Nikolaus Vollmer: Computerspiele in der Kinderkultur
> Neil Gershenfeld: Wenn die Dinge denken lernen / Steven Johnson: Interface Culture. Wie neue Technologien Kreativität und Kommunikation verändern
> Tim und Struppi: Hergé Werkausgabe. 19 Bände à 160 Seiten
> Walter Dehnert (Hrsg.): Zoom und Totale. Aspekte eigener und fremder Kultur im Film

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