Zeitschrift merz | Einzelhefte
Medienutopien gestern und heute
merz 2001/04
Im Verlagsprogramm unter
Produktbeschreibung
Widersprüchlich
Ist menschliches Handeln zu oft, als dass es uns noch besonders erstaunen machen würde. Aber um das Zusammenleben so gut wie möglich auf die Reihe zu bringen, sind wir gezwungen, einen gewissen Konsens zu erreichen, uns also auch über Ungereimtheiten klar zu werden, uns darüber auseinanderzusetzen.
Da berichtete die Süddeutsche Zeitung in einer Wochenendausgabe Ende Juni dieses Jahres über eklatante Lücken im kunstgeschichtlichen Wissen Münchner Gymnasiasten. Zitat: „Anne weiß nicht, was Expressionismus ist. Sie weiß auch nicht, was Surrealismus oder Realismus ist. Und auch von Salvador Dali, Jean Renoir (die Journalistin meinte wohl Auguste Renoir!), Vincent van Gogh, Claude Monet oder Leonardo da Vinci hat sie noch nie etwas gehört. Naja, Picasso, den kenne sie. Aber nicht aus der Schule, beteuert sie, von zu Hause vielleicht, von den Eltern oder sonst irgendwoher, nur die Schule war es sicher nicht. Anne besucht die 11. Klasse eines Münchner Gymnasiums.“
Kunsterziehung ist ein Stiefkind im Bildungswesen, auch an höheren Schulen. Das Fach kann man abwählen. Die Kenntnisse unserer Wahrnehmungsgeschichte werden schulbürokratisch bzw. staatlicherseits für unerheblich gehalten.
Andererseits: da konnte man das Entgegenkommen des bayerischen Wissenschaftsministers und auch des Ministerpräsidenten erleben, für den Sammler Buchheim ein teures Museum zu bauen, damit der Bilder- und Sammlerschatz in die Hände des Staates gelangt. Ist es nur der Wert der aufgehäuften Werke, der das Begehren weckt? Muss wohl so sein, denn dass die künftige Generation auch - wohlgemerkt - erkenntnismäßig etwas damit anfangen kann, dazu müsste doch wohl auch die schulische Grundlage gelegt werden. Oder sollen die Besucher der Ausstellungsräume nur verehrungsmäßig an etwas vorbeiziehen, was sie in ihrem Aussagewert nicht erkennen und von dem sie nur wissen, dass es sehr wertvoll ist.
Buchheim ist kein Einzelfall, wenn man den Fall Brandhorst in den Zeugenstand ruft. Der Sammler erhält zum Fortbestand seines Namens neben der Pinakothek der Moderne in München eine Unterkunft für seine millionenschwere Sammlung modernster Artefakte, die dafür in den Besitz des Staates übergeht. Vielleicht könnten dort wenigstens Schilder angebracht werden, die erklären, warum ein Damien Hirst, ein Jeff Koons oder ein Robert Gober so viele Millionen kosten. Wenigstens das könnten die Schüler dann als Wissen weitergeben.
Merke: Es kann keinen Widerstand geben ohne universales Gedächtnis (Godard in seinem neuen Film „Éloge de l’amour“). Aber: Brauchen wir in Zukunft überhaupt geistige Aufmüpfigkeit?
Erwin Schaar
Ist menschliches Handeln zu oft, als dass es uns noch besonders erstaunen machen würde. Aber um das Zusammenleben so gut wie möglich auf die Reihe zu bringen, sind wir gezwungen, einen gewissen Konsens zu erreichen, uns also auch über Ungereimtheiten klar zu werden, uns darüber auseinanderzusetzen.
Da berichtete die Süddeutsche Zeitung in einer Wochenendausgabe Ende Juni dieses Jahres über eklatante Lücken im kunstgeschichtlichen Wissen Münchner Gymnasiasten. Zitat: „Anne weiß nicht, was Expressionismus ist. Sie weiß auch nicht, was Surrealismus oder Realismus ist. Und auch von Salvador Dali, Jean Renoir (die Journalistin meinte wohl Auguste Renoir!), Vincent van Gogh, Claude Monet oder Leonardo da Vinci hat sie noch nie etwas gehört. Naja, Picasso, den kenne sie. Aber nicht aus der Schule, beteuert sie, von zu Hause vielleicht, von den Eltern oder sonst irgendwoher, nur die Schule war es sicher nicht. Anne besucht die 11. Klasse eines Münchner Gymnasiums.“
Kunsterziehung ist ein Stiefkind im Bildungswesen, auch an höheren Schulen. Das Fach kann man abwählen. Die Kenntnisse unserer Wahrnehmungsgeschichte werden schulbürokratisch bzw. staatlicherseits für unerheblich gehalten.
Andererseits: da konnte man das Entgegenkommen des bayerischen Wissenschaftsministers und auch des Ministerpräsidenten erleben, für den Sammler Buchheim ein teures Museum zu bauen, damit der Bilder- und Sammlerschatz in die Hände des Staates gelangt. Ist es nur der Wert der aufgehäuften Werke, der das Begehren weckt? Muss wohl so sein, denn dass die künftige Generation auch - wohlgemerkt - erkenntnismäßig etwas damit anfangen kann, dazu müsste doch wohl auch die schulische Grundlage gelegt werden. Oder sollen die Besucher der Ausstellungsräume nur verehrungsmäßig an etwas vorbeiziehen, was sie in ihrem Aussagewert nicht erkennen und von dem sie nur wissen, dass es sehr wertvoll ist.
Buchheim ist kein Einzelfall, wenn man den Fall Brandhorst in den Zeugenstand ruft. Der Sammler erhält zum Fortbestand seines Namens neben der Pinakothek der Moderne in München eine Unterkunft für seine millionenschwere Sammlung modernster Artefakte, die dafür in den Besitz des Staates übergeht. Vielleicht könnten dort wenigstens Schilder angebracht werden, die erklären, warum ein Damien Hirst, ein Jeff Koons oder ein Robert Gober so viele Millionen kosten. Wenigstens das könnten die Schüler dann als Wissen weitergeben.
Merke: Es kann keinen Widerstand geben ohne universales Gedächtnis (Godard in seinem neuen Film „Éloge de l’amour“). Aber: Brauchen wir in Zukunft überhaupt geistige Aufmüpfigkeit?
Erwin Schaar
Inhaltsverzeichnis
thema >>
> Carsten Quesel: „Plötzlich war ich im Computer“
> Christia Oberst-Hundt, Walter Oberst: Politik – Wirtschaft – Medien
> Hans-Dieter Kübler: Von der politischen Gegenaufklärung zur marktkonformen Qualifizierung
> Peter M. Spangenberg: Technikinnovationen und Medienutopien
> Rudolf Maresch: Der Hype ist vorbei
spektrum >>
> Alexander Fedorov: Russland - Von der Filmpädagogik zur Medienpädagogik
> Jürgen Hüther: Adolf Reichwein
medienreport >>
> Erwin Schaar: Unsicherheit bei den erzählerischen Mitteln
> Frauke Kofahl: CD-ROM Die Schlümpfe...retten Mutter Natur
> Frauke Kofahl: CD-ROM Oscar der Ballonfahrer fliegt in die Berge
> Günther Anfang: CD-ROM Der Teddy und die Tiere
> Günther Anfang: CD-ROM Emil und Pauline auf dem Bauernhof
> Günther Anfang: CD-ROM KosmosKids experimentieren mit Licht, Erde und Schwerkraft
> Günther Anfang: CD-ROM Löwenzahn die Fünfte
> Michael Bloech: Heidi - Johanna Spyris Evergreen
> Sophie Anfang: CD-ROM Die CD-ROM mit der Maus 2
publikationen >>
> Josef Kloppenburg (Hg.): Musik multimedial: Filmmusik, Videoclip, Fernsehen. Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Band 11
> Jürgen Belgrad, Horst Niesyto (Hrsg.): Symbol. Verstehen und Produktion in pädagogischen Kontexten.
> Peter Strittmatter, Helmut Niegemann: Lehren und Lernen mit Medien. Eine Einführung.
> Udo Ulfkotte: So lügen Journalisten. Der Kampf um Quoten und Auflagen.
> Wolfgang Bergmann: Computer machen Kinder schlau / Clifford Stoll: LogOut. / Johannes Fromme, Norbert Meder (Hrsg.): Bildung und Computerspiele.
kolumne >>
> Wolfram Knorr: Leerlaufende Betriebsamkeit
> Carsten Quesel: „Plötzlich war ich im Computer“
> Christia Oberst-Hundt, Walter Oberst: Politik – Wirtschaft – Medien
> Hans-Dieter Kübler: Von der politischen Gegenaufklärung zur marktkonformen Qualifizierung
> Peter M. Spangenberg: Technikinnovationen und Medienutopien
> Rudolf Maresch: Der Hype ist vorbei
spektrum >>
> Alexander Fedorov: Russland - Von der Filmpädagogik zur Medienpädagogik
> Jürgen Hüther: Adolf Reichwein
medienreport >>
> Erwin Schaar: Unsicherheit bei den erzählerischen Mitteln
> Frauke Kofahl: CD-ROM Die Schlümpfe...retten Mutter Natur
> Frauke Kofahl: CD-ROM Oscar der Ballonfahrer fliegt in die Berge
> Günther Anfang: CD-ROM Der Teddy und die Tiere
> Günther Anfang: CD-ROM Emil und Pauline auf dem Bauernhof
> Günther Anfang: CD-ROM KosmosKids experimentieren mit Licht, Erde und Schwerkraft
> Günther Anfang: CD-ROM Löwenzahn die Fünfte
> Michael Bloech: Heidi - Johanna Spyris Evergreen
> Sophie Anfang: CD-ROM Die CD-ROM mit der Maus 2
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> Josef Kloppenburg (Hg.): Musik multimedial: Filmmusik, Videoclip, Fernsehen. Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Band 11
> Jürgen Belgrad, Horst Niesyto (Hrsg.): Symbol. Verstehen und Produktion in pädagogischen Kontexten.
> Peter Strittmatter, Helmut Niegemann: Lehren und Lernen mit Medien. Eine Einführung.
> Udo Ulfkotte: So lügen Journalisten. Der Kampf um Quoten und Auflagen.
> Wolfgang Bergmann: Computer machen Kinder schlau / Clifford Stoll: LogOut. / Johannes Fromme, Norbert Meder (Hrsg.): Bildung und Computerspiele.
kolumne >>
> Wolfram Knorr: Leerlaufende Betriebsamkeit